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MAIN-SPITZE
24.04.56
Die zweite Aufgabe der neuen evang. Kirche
Festlicher Abend in der neuen Kirche in der Siedlung B
Der neue Kirchbau in der Siedlung B war von vorneherein nicht nur als Kirche, sondern auch als Versammlungsraum der Gemeinde geplant. Schon der Abend des Einweihungstages am Sonntag zeigte, wie vielseitig der schöne Bau ist.
Die Gemeinde der Siedlung B hatte zu einem Festlichen Abend eingeladen, zu dem Gäste und Gemeindeglieder so zahlreich gekommen waren, daß die Kirche wieder bis auf den letzten Platz gefüllt war. Wie schon am Nachmittag hatten sich Singekreis und Posaunenchor, Männer- und Frauenkreis in den Dienst der guten Sache gestellt. Ihre Darbietungen umrahmten die Grußworte, die von den Vertretern der Behörden, der evangelischen und katholischen Gemeinde ausgesprochen wurden. Die Grüße der Evangelischen Kirchenleitung entbot zunächst Propst Rau, Darmstadt, der auf das schnelle und erfolgreiche Wachstum der Opelstadt im allgemeinen und in ihrem Gefolge auch der Kirchengemeinden hinwies. Noch einmal kam auch der Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Mainz, Prof. D. Jannasch zu Wort, der die Verbundenheit der Universität Mainz mit der Rüsselsheimer Kirchengemeinde aus eigenem Erleben heraus betonte. Für die katholischen Gemeinden sprach dann Geistlicher Rat Jung die Segenssprüche aus. In von tiefer Anteilnahme zeugenden Worten schilderte er die Trauer, wenn man zusehen muß, wie ein Gotteshaus vernichtet wird, wie es leider im letzten Krieg oft geschah, und gab mit dem Dank gegen Gott sei- ner Freude Ausdruck, daß nun ein neues Haus zum Dienst für Gott gebaut wurde. Für den Landkreis Groß-Gerau und den Magistrat der Stadt Rüsselsheim wünschte Stadtrat Schmidt Glück und Segen: es schloß sich Stadtverordnetenvorsteher Vatter im Namen der Stadtverordnetenversammlung an. In längeren Ausführungen betonte Pfarrer Martens aus Großleinungen in Thüringen die Verbundenheit der evangelischen Christen in der Sowjetzone mit den Brüdern im Westen: er sprach zugleich seinen Dank für die tatkräftige Unterstützung durch die Siedlungsgemeinde in den vergangenen Jahren aus. Pfarrer Liefke als Sprecher der Stadtgemeinden wünschte, daß die ein- zelnen Bezirke auch weiter im gemeinsamen Dienst als gute Brüder zusammenarbeiten möchten, während Lehrer Hummel Gruß und Segenswünsche der Dekanatssynode und der Gemeindevertretungen übermittelte.
Von besonderem Ernst waren die Worte von Herrn Regierungspräsident Arnoul aus Darmstadt getragen. Nach einem arbeitsreichen Tag war er dennoch zu dem Festlichen Abend gekommen. Auf der Fahrt nach Rüsselsheim war er. wie er erzählte. in einem Automobil- strom sondergleichen mit seinem Wagen kaum vorwärtsgekommen. Beim Betrachten der vielen Menschen auf den Straßen aber hatte er sich doch gefragt: Sind nun eigentlich unsere Sonntage richtig angewandt? Fliehen die Menschen heute nicht vor der eigenen Besinnung aus Furcht vor der Verantwortung ihres Lebens? Mit aller Eindringlichkeit wies er auf die Bedeutung der Kirche als Stätte der Prüfung und Wandlung hin. Der Staat kann nicht alles regeln, der Preis wäre mit dem Verlust der Freiheit des Menschen zu hoch bezahlt. Weder Staat noch Kirche dürfen zu mächtig werden. Keiner soll über den anderen herr- schen wollen. Beide aber sollen gleichberechtigt neben- und miteinander den Menschen dienen zu Frieden und Freiheit!
Der zweite Teil des Abends brachte ein Laienspiel der Siedlungsjugend, ohne Titel, ohne vorherige Inhaltsangabe, vielleicht darum doppelt wirksam. Ein Spielmann, voll des Wunders des Frühlings, sucht ein neues Lied, ihn zieht es hinaus in die Welt. Doch er findet es nicht beim König, der die Macht verkörpert, auch nicht beim Reeder der Stadt, dem Reichtum und nicht bei dem gelehrtesten aller gelehrten Männer, der Weisheit. Endlich, fast am Zusammenbrechen, erlebt er im Dom, I was er gesucht hat: Ruhe, Frieden, Gott. Die Jungen und Mädchen spielten mit natür lichem Charme und sichtbarer Freude. Mit nur wenig äußeren Behelfsmitteln verstanden sie es, das Anliegen des Spieles überzeugend nahezubringen. Der gegen Schluß des Stückes mit in die Szenerie einbezogene Altarraum zeigte, wie geschickt vom Spielleiter und auch von der technischen Gegebenheit her die Raumfrage gelöst werden konnte. Auch die zweite Aufgabe dieser Kirche, der Gemeinde einen Raum für ihre Veranstaltungen zu bieten, haben Pfarrer und Bauleute glänzend gelöst.
-rst-

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Donnerstag, den 19. April 1956
Wir haben eine neue Kirche in der Siedlung
„Herr ich habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnt“ von Pfarrer Dr. K. Schuster
Mit übergroßem Dank gegen Gott rüsten wir uns auf die Einweihung unsrer neuen Kirche in der Siedlung B am kommenden Sonntag. Als wir vor etwa einem dreiviertel Jahr den Grundstein legen durften, ahnten wir noch nicht, in welcher harmonischen Schönheit sich der neue Bau zur Ehre Gottes so bald in das Gesamtbild unserer Anlage Am Böllenseeplatz einfügen würde. Es geht ja am Sonntag nicht nur um die neue Kirche, die jetzt die Krönung aller bisherigen äußeren Aufbauarbeiten in unserer Siedlungsgemeinde darstellt, haben mit dieser Kirche ein seit Jahren ersehntes vollständiges Gemeindezentrum bekommen. Denn dies ist ja das Neue und besonders Schöne, daß jetzt die Gesamtanlage Zeugnis ablegen darf von der umfassenden Vielfalt und dem mannigfachen Reichtum des Wirkens einer evangelischen Gemeinde, wenn sie ihren Auftrag in der Welt ernst nimmt. Wir haben ganz klein mit einigen Gemeinderäumen insbesondere auch für unsere Jugend und dem Pfarrhaus vor drei Jahren begonnen. Seit dieser Zeit hat es sich in zunehmendem Maße deutlich gezeigt, wie sich aus kleiner Sammlung verschiedener Kreise ein gemeindegemäßes Leben innerhalb und auch außerhalb des Gottesdienstes für alt und jung entfalten kann. Als der Kindergarten mit den über 100 Kindern vor nunmehr zwei Jahren hinzukam, war eine weitere Station auf dem Aufbauweg erreicht. Dann wurden uns noch Räume für die Gemeindeschwester, für ihren besonderen Dienst und auch für den Hausmeister gegeben nicht zu reden von den Anlagen in Hof und Garten für vielerlei Freizeitgestaltung bei verschiedenen Gemeindeveranstaltungen. Mit der Kirche, die harmonisch in die bisherige Anlage eingefügt ist, wird nun das Bild vollendet. Aber es soll und darf nicht nur ein schönes Bild für unser Auge bleiben, nein nun stellt uns Gott vor die große Verantwortung, in diesem Geschenk seiner Güte auch die Verpflichtung für Geist und Inhalt dieses Gemeindezentrums recht zu verwirklichen.
So wird der nächste Sonntag nicht nur ein Freuden- und Danktag für uns alle, sondern auch ein Tag echter Besinnung auf das wesentliche, ja einzige Ziel unsres Lebens, in dem auferstandenen Christus, dessen Bild uns Herrn unserer gesamten Lebensbereiche zu von der Stirnwand der Kirche grüßt, den erkennen und anzuerkennen. Die ganze evangelische Gemeinde Rüsselsheim und darüber hinaus viele Freunde und Gönner werden daher mit der Siedlung herzlichen Anteil an den Ereignissen des kommenden Sonntags nehmen. Wir freuen uns besonders, daß unser Kirchenpräsident D. Niemöller in einem feierlichen Gottesdienst um 14.30 Uhr die neue Kirche einweihen wird, und viele Ehrengäste, darunter der Regierungspräsident und der Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Mainz, außerdem auch Vertreter unseres Magistrats, zu uns kommen. Um 20 Uhr wollen wir mit der Gemeinde zu einem festlichen Abend in der neuen Kirche zusammenkommen, um verschiedene Grußworte von unserem Propst und unseren Behörden zu hören, um dann ein großes Laienspiel unserer Jugend mitzuerleben.
Wir bitten Gott um seinen Segen für diesen so wichtigen Tag in unserer Siedlung und auch für die ganze fernere Zeit und erhoffen ein reich erfülltes gesegnetes Leben in diesem Gemeindezentrum in Erfüllung des einladenden Wortes unseres Herrn an unserer Kirche:,,Kommet her zu mir alle!“